Vortrag zur Unterstützung von entwicklungspolitischem Engagement der Zivilgesellschaft in Sindelfingen 2015

Ministerialdirigent Dr. Bernhard Felmberg, am 24.Oktober 2015, in Sindelfingen

Förderung von entwicklungspolitischem Engagement der Zivilgesellschaft durch das BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenhänge und Entwicklung)

Sehr geehrter Herr Fischer,
sehr geehrte Damen und Herren,

Vielen Dank für Einladung an das BMZ und die Bitte, etwas zu unserer Unterstützung von entwicklungspolitischem Engagement der Zivilgesellschaft zu sagen. Als für die Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaft, Kirchen und Wirtschaft zuständigem Unterabteilungsleiter liegt mir dieses Thema natürlich besonders am Herzen.

Ich freue mich, heute hier bei Ihnen sein und das 25-jährige Jubiläum der Partnerschaft zwischen dem Krankenhaus Sindelfingen und dem Lubaga-Hospital in Kampala gemeinsam mit Ihnen begehen zu können. Auch freue ich mich – vor allem als ehemaliger „Kirchenmann“ -, dass sie mit der Martinskirche und dem angrenzenden Stiftshof einen solch schönen Veranstaltungsort gefunden haben.

„Auch Kriege und Konflikte in Ländern, die früher weit weg schienen, haben Auswirkungen bis nach Deutschland.“

 

  • Aktuelles: Flüchtlinge

In meinem Ministerium, dem BMZ, stand – wie in der gesamten deutschen Politik – in den letzten Wochen die Bewältigung der Flüchtlingsströme im Mittelpunkt unseres täglichen Handels. Bislang war Deutschland – sieht man von den Balkankriegen vor 20 Jahren ab – von den weltweiten Migrationsbewegungen vergleichsweise wenig betroffen, stand quasi auf der Sonnenseite der Globalisierung. Mit dem Flüchtlingsstrom spüren wir mehr und mehr: Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft auf diesem Planeten. Auch Kriege und Konflikte in Ländern, die früher weit weg schienen, haben Auswirkungen bis nach Deutschland.

Es ist erfreulich, wie Deutschland bislang auf diese Herausforderung regiert hat. Ich muss gestehen: Ich war überrascht und bin immer noch beeindruckt davon, wie viele Bürgerinnen und Bürger sich für ein friedvolles, offenes Miteinander mit Flüchtlingen engagiert haben.

Diese Willkommenskultur war ein erneuter Beweis für die Stärke unserer Zivilgesellschaft in Deutschland.

2) Rolle der Zivilgesellschaft/ Engagement

Für das BMZ war die deutsche Zivilgesellschaft bereits in der Vergangenheit als Partner bei der Entwicklungs-zusammenarbeit und auch bei globalen Herausforderungen der letzten Monate – ob Syrien, Irak, Ukraine oder Ebola – ein wichtiger und verlässlicher Partner.

Ohne das große Engagement der Kirchen, der zahlreichen Nichtregierungsorganisationen und der vielen Ehrenamtlichen wäre Entwicklungspolitik nicht denkbar. Bereits Ende der 1950er Jahre, d.h. noch vor der Gründung des BMZ, wurden die kirchlichen Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt und andere entwicklungspolitisch engagierte NRO wie die Kindernothilfe gegründet. Das BMZ hat von Anbeginn die Arbeit dieser Organisationen auch finanziell unterstützt, zuerst die der kirchlichen Hilfswerke und wenig später auch die der politischen Stiftungen und privaten Träger.

Das Ausmaß und die Bedeutung der Partnerschaft zwischen BMZ und Zivilgesellschaft haben in den letzten Jahren weiter zugenommen. Das haben wir zuletzt in der BMZ-Zivilgesellschaftsstrategie vom Oktober 2014, die wir gemeinsam mit VENRO, dem Dachverband der entwicklungs-politischen NRO entworfen haben,  und in unserer neuen Engagement-Strategie vom 30. Juni 2015  deutlich gemacht.

Auch die Mittel im BMZ-Etat zur Förderung der Zivilgesellschaft haben wir in den letzten Jahren deutlich gesteigert: Von rund 660 Mio. Euro in 2013 auf über 900 Mio. Euro in 2016. Für den Haushaltplan des nächsten Jahres brauchen wir natürlich noch die Zustimmung des Bundestags im November. Aber ich bin optimistisch, dass dies kein Problem sein wird, denn die Wertschätzung der Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen ist auch im Deutschen Bundestag sehr hoch.

„Sie darf nicht darauf abzielen, den Hilfeempfänger dauerhaft in Anhängigkeit zu belassen.“

Die Zusammenarbeit zwischen BMZ und Zivilgesellschaft ist in der Regel eng und vertrauensvoll. Natürlich gibt es hin und wieder Konflikte (wie in jeder Partnerschaft). Die sind teilweise unvermeidbar und liegen auch an den unterschiedlichen Rollen von Staat und Zivilgesellschaft. Das BMZ hat hierfür eine Reihe von Leitlinien entwickelt, die den Umgang sehr erleichtern. Wir achten das Initiativrecht der Zivilgesellschaft. Wir respektieren die Unabhängigkeit der Nichtregierungsorganisationen.

Wir erwarten anderseits auch von Ihnen, dass sie Partizipation und „capacity development“ ihrer lokalen Partner aktiv unterstützen. Denn Hilfe sollte immer „Hilfe zur Selbsthilfe sein“. Sie darf nicht darauf abzielen, den Hilfeempfänger dauerhaft in Anhängigkeit zu belassen. Jegliche Entwicklungszusammenarbeit zielt darauf ab, sich langfristig selbst überflüssig zu machen.

3) Fluchtursachen

Davon sind wir zurzeit leider aber noch weit entfernt. Zurück zur Flüchtlingskrise:

Wir müssen uns immer wieder klarmachen: Wir erleben in Deutschland nur einen kleinen Teil der weltweiten Flüchtlingsströme.

Weltweit sind 60 Mio. Menschen auf der Flucht, zwei Drittel davon innerhalb ihres Heimatlandes. Der Rest sucht überwiegend in den jeweiligen Nachbarländern Schutz.

Deswegen ist es wichtig, den im Libanon, in der Türkei oder in Jordanien gestrandeten Flüchtlingen vor Ort zu helfen. Wir unterstützen solidarisch die Aufnahmeländer von Flüchtlingen,

  • damit die Menschen nicht noch weiter fliehen müssen und
  • damit die Aufnahmeländer nicht zusammenbrechen.

Für die direkte Flüchtlingshilfe wendet das BMZ in diesem Jahr 1 Mrd. Euro auf.

Jeder Euro, der in den Herkunftsregionen eingesetzt wird, erspart ein Vielfaches an Mitteln für die Flüchtlingsbetreuung in Deutschland: So kostet es zum Beispiel ca. 10 EUR, einem Kind in der Nahost-Region eine Woche lang den Schulbesuch zu ermöglichen; in Deutschland ist das um ein vielfaches teuer. Langfristig ist es aber wichtiger, die Fluchtursachen zu bekämpfen; Flucht also gar nicht erst notwendig werden zu lassen.

Natürlich kann das BMZ mit seinen bescheidenen Mitteln nicht alle Kriege und Konflikte der Welt, ob in Syrien, Afghanistan oder der Ukraine beenden. Aber wir können unseren Beitrag leisten, um Hunger und extreme Armut zu bekämpfen und wirtschaftliche Entwicklung, gerade in den ärmsten Ländern der Welt zu fördern.

  1. Uganda

Uganda gehört seit seiner Unabhängigkeit zu den 48 ärmsten Ländern (LDCs) der Welt. Es sieht nicht so aus, als würde Uganda diesen negativ-Status in naher Zukunft überwinden. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Es gibt externe Faktoren, z.B. Belastungen durch Konflikte innerhalb der Region. Uganda, selbst ein bitterarmes Land, hat über 400.000 Flüchtlinge aus dem Kongo, Burundi und dem Südsudan aufgenommen.

Die Gründe sind sicher aber auch in mangelnder Demokratie, schlechter Regierungsführung und Korruption im Land selbst zu suchen. Präsident Yoweri Museveni ist seit 1986 an der Macht, also seit fast 30 Jahren. In der Anfangszeit galt er als Lichtgestalt, v.a. verglichen mit seinen Vorgängern Milton Obote oder dem berüchtigten Idi Amin. Doch in den vergangenen Jahren haben die Reformbemühungen der Regierung nachgelassen. Noch immer sind über 20% des Staatshaushalts von den Entwicklungshilfe-Gebern finanziert. Ohne internationale Unterstützung kann Uganda seinen Bürgern kein funktionierendes Bildungssystem und keine Gesundheitsversorgung bereitstellen.

  1. Gesundheit

Das BMZ ist in Uganda zwar nicht schwerpunktmäßig im Gesundheitsbereich engagiert. Diese Rolle hat in der internationalen Abstimmung der Geber die amerikanische Entwicklungs-Agentur USAID übernommen. Aber auch das BMZ wird sein Engagement zur Stärkung der Gesundheitssysteme in Afrika weiter verstärken.

Minister Dr. Gerd Müller hat in seiner Haushaltsrede am 9. September vor dem deutschen Bundestag angekündigt, die Basis-Gesundheitssysteme in Afrika massiv unterstützen zu wollen. Dafür sollen in den nächsten vier Jahren im Rahmen des BMZ-Sonderprogramms „Gesundheit in Afrika“ insgesamt 600 Mio. € zusätzlich eingesetzt werden.

„Vor  einem Monat, am 25. September, haben die Staats- und Regierungschefs aus allen Nationen in New York die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ feierlich verabschiedet.“

6) 2030-Agenda

Vor  einem Monat, am 25. September, haben die Staats- und Regierungschefs aus allen Nationen in New York die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ feierlich verabschiedet. Dieser „Weltzukunftsvertrag“ – wie in Minister Dr. Müller nennt –  ersetzt die bisherigen Millenniums-Entwicklungsziele, die sog. „MDGs“ und soll für alle Staaten, nicht nur die Entwicklungsländer, gelten. Die Agenda 2030 umfasst 17 prioritäre Ziele nachhaltiger Entwicklung, z.B. extreme Armut und Hunger auf der ganzen Welt zu beseitigen und jedem Menschen ein Mindestmaß an Gesundheitsversorgung und Bildung zu gewährleisten. Das letzte Ziel, Nr. 17, beschreibt, dass die Umsetzung dieser Ziele nur gelingen kann, wenn alle Länder und alle Akteure – Staat, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft – zu neuen Formen der Zusammenarbeit finden.

In fünfzehn Jahren wird die Agenda 2030 ins Zieljahr gehen.

Ich wünsche mir, dann sagen zu können:

  • Wir haben extreme Armut, Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung endlich und überall überwunden.
  • Wir waren die Generation, die dafür gesorgt hat, dass unsere Erde wieder in Balance kommt.

Ich möchte Ihnen im Namen des BMZ noch einmal herzlich für Ihr großes Engagement in den letzten 25 Jahren danken. Lassen Sie uns auch in den kommenden Jahren gemeinsam an der Verwirklichung der  Ziele des neuen Weltzukunftsvertrags arbeiten!