Jahreslosung 2016
Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet (Jesaja 66.13)
Wir alle kennen das. Uns überkommt ein stechender Schmerz, ein Leiden, eine Krankheit, etwas stößt uns zu oder erschüttert unser Leben. Wir wenden uns an Ärzte, kompetente Menschen, nehmen Schmerzmittel oder legen uns auf die Couch und lassen unser Leben screanen. Unser Leben scheint auf alle Vorkommnisse vorbereitet zu sein. Als wir Kinder waren gab es dagegen nur einen Reflex. Wir haben nach der Mutter gerufen: Laut, schreiend, durchdringend: „Maaamaaa!“ In der Not wenden wir uns an die Mutter, weil wir von ihr erwarten, von ihr erhoffen, dass sie unseren Schmerz sieht, ihn auffängt, ihn heilt und damit unser gefühltes Elend wendet. Die von ihr geschenkte Umarmung überstrahlt unseren Schmerz. Ihre Nähe lässt die Unmittelbarkeit des Schmerzes in die Ferne treten. Die von ihr in unser Ohr gesetzten Worte beruhigen unsere aufgescheuchte Seele. Ihr gelingt es unseren Körper und unsere Seele wieder in ein Gleichgewicht zu bringen, selbst wenn das aufgeschlagene Knie noch blutet oder der Zahn schmerzt. Die eigenen Empfindungen und Wahrnehmungen pegeln sich ein und sind bereit, auf die von ihr vorgeschlagene Lösung des Unglücks zu warten: Das Pflaster, den Anruf beim Zahnarzt oder der begleitete Gang zum Doktor.
Die Mutter war und ist die Erste Hilfe Station, die Rettungsstelle des Lebens bei Unglücken aller Art. Und manche wissen sogar davon zu berichten, dass selbst im erwachsenen Alter, Männer und Frauen in angespannten Lebenssituationen die Nähe zur Mutter suchen. Auf einmal fühlt man sich wieder wie ein Kind oder möchte gleichsam wieder in diesen Status schlüpfen, um dieses Gefühl des „Rundumsorglospaketes“ noch einmal zu spüren. „Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“
„Trost“, ein Wort, das vom Wortstamm „Treue“ kommt, ist und bleibt eine notwendige Dimension in unserem Leben. Gerade nach den Szenen, die sich in Paris abgespielt haben, ist uns dies wieder bewusst geworden. Was für ein Leid ist plötzlich in die Familien getragen worden? Wie viele junge Leben wurden jäh beendet? Wie viele Schwerverletzte werden nie wieder in dieser Leichtigkeit ihr Leben führen können wie vorher?
Bei solch kollektiven traumatischen Ereignissen bleiben wir nicht beim individuellen Trost einer Freundin, eines Freundes oder eines Familienmitglieds stecken. Die Trostdimension erstreckt sich über bekannte menschliche Netzwerke hinweg in den Bereich eines ganzen Landes, ja der gesamten zivilisierten Welt. Die Solidarität verbleibt nicht im engen Rahmen, sondern öffnet sich. Sie öffnet sich in ihren Empfindungen auch auf das Trostpotential hin, was Gott uns zur Verfügung stellen kann und will. Er will uns trösten wie die eigene Mutter. Er gibt unserer Ohnmacht eine Richtung, belässt sie nicht in ihrer Diffusität. Er neigt sich zu uns und hält uns in den Armen. Er richtet uns auf und bringt unsere Seele wieder in ihr Gleichgewicht. Sein Trost ist anhaltend, nicht erlöschend. Er hat die Kraft der Dauerhaftigkeit, des Nicht-Nachlassens. Sein Trost ist noch gegenwärtig, wenn menschlicher Trost bereits im Ergreifen der Alltäglichkeit zum Erliegen gekommen ist. Durch diesen beständigen Trost Gottes bleibt die getröstete Seele nicht verkrümmt im Schmerz, sondern streckt sich aus und ergreift das Leben neu. Der Blick kann sich wieder weiten. Der getröstete Mensch nimmt das Leid oder die Not anderer Menschen selbst wieder wahr und hilft tröstend und nach Lösungen suchend.
Was kann das für uns bedeuten? Ich denke an die vielen Kinder und Jugendlichen, die mit den Flüchtlingsfamilien in unsere Stadt Berlin, die in unser Land gekommen sind. Ergreifen wir als kirchliche Sportarbeit die Chance, die Möglichkeit mit unseren Sportangeboten Kindern und Jugendlichen zu zeigen, dass unser Gott ein Gott des Trostes ist, der im Alltag durch die Ideen und die einladenden Kräfte unserer Turnierleitungen, unserer Sportangebote erkennbar ist? Gehen wir in die Flüchtlingseinrichtungen in unseren Kiezen und laden in unsere Gruppen ein? Ich bin mir sicher, dass der Sportarbeit es leicht fallen dürfte hier Schritte zu gehen, die für andere Gemeindegruppen schwerer sein dürften. Vielleicht wäre das ein Zukunftsprojekt für das Jahr 2016. Dieses Jahr steht ja auch unter dem Motto: „Reformation und die eine Welt!“ Es ist das letzte Jahr vor dem großen Reformationsjubiläum in Deutschland im Jahre 2017, in dem sich Luthers erste reformatorische Handlungen zum 500. Male jähren. 2016 als Jahr des Trostes für diejenigen, die zu uns gekommen sind. 2016 als klares Zeichen der Sportarbeit, dass wir nicht auf uns bezogen sind, sondern den Weg zum anderen finden. 2016 als Zeichen des Aufbruchs der von Gott Getrösteten und der durch Gott zu Hoffnungsfrohen gemachten Kinder Gottes. Und das alles aus der einen Kraft, die uns selbst immer wieder zuruft: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“
Pfarrer Dr. Bernhard Felmberg