Publikation von Ministerialdirigent Dr. Bernhard Felmberg im Magazin des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU – „Evangelische Verantwortung“
Gemeinsam mehr bewegen!
17.Juni 2015
Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist eine wichtige Brückenindustrie für Entwicklungs- und Schwellenländer. Sie bietet den Ländern die Chance, den Aufstieg von einer Agrar- zur Industriegesellschaft zu schaffen und ist somit ein Motor für die wirtschaftliche Entwicklung. Mehr als 60 Millionen Menschen arbeiten weltweit in der Textil- und Bekleidungsbranche.
„Der unsachgemäße Einsatz giftiger Chemikalien, lange und ungeregelte Arbeitszeiten, niedrige Löhne sowie mangelnder Arbeits- und Gesundheitsschutz sind keine Seltenheit.“
Die einzelnen Fertigungsstufen der textilen Produktion sind jedoch auf verschiedene Länder der Welt verteilt. Dies führt zu komplexen Lieferantennetzwerken, die schwer zu kontrollieren sind. In vielen der Länder entsprechen die Produktions- und Arbeitsbedingungen nicht den international anerkannten Umwelt- und Sozialstandards, wie den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen. Es wird zum Teil unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert. Der unsachgemäße Einsatz giftiger Chemikalien, lange und ungeregelte Arbeitszeiten, niedrige Löhne sowie mangelnder Arbeits- und Gesundheitsschutz sind keine Seltenheit. Der Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza im April 2013 in Bangladesch, bei dem mehr als 1.100 Menschen starben, verdeutlicht zudem, dass auch unzureichender Gebäude- und Brandschutz Problemfelder sind. Dies gilt vor allem auf den letzten Produktionsstufen wie der Konfektionierung. Spätestens seit dieser Katastrophe war klar: Dieser Zustand muss verändert werden!
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) setzt sich gezielt für die nachhaltige Entwicklung seiner Partnerländer ein. Die Einführung und Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards in der textilen Lieferkette ist zentrales Thema für das BMZ, schon allein durch die Bedeutung der Branche für Entwicklungs- und Schwellenländer.
Bündnis für Nachhaltigkeit
Flächendeckende Verbesserungen innerhalb einer Branche sind jedoch nur möglich, wenn sich die verschiedenen Akteure der Branche zusammenschließen und entsprechende Maßnahmen umsetzen. Daher wurde im vergangenen Oktober das Bündnis für nachhaltige Textilien auf Initiative von Bundesminister Dr. Gerd Müller aus der Taufe gehoben. Mehr als 70 Vertreterinnen und Vertreter der Textilwirtschaft, der Gewerkschaften, der Zivilgesellschaft sowie internationalen Nachhaltigkeitsinitiativen und Standardorganisationen entwickelten einen ambitionierten Aktionsplan. Die formulierten Ziele und Umsetzungsanforderungen orientieren sich dabei an bestehenden Standardsystemen und Initiativen.
„Auf Basis einer engen Zusammenarbeit wurde der bestehende Aktionsplan konkretisiert, ohne die ambitionierten Ansprüche des Textilbündnisses zu senken.“
Zunächst waren neben engagierten Nichtregierungsorganisationen und den Gewerkschaften vor allem die Marktführer für faire und ökologische Mode beigetreten. Die großen Handelsketten und Marken bezeichneten den Aktionsplan zu diesem Zeitpunkt als „noch nicht entscheidungsreif“. Aber das gemeinsame Bekenntnis zu den festgelegten Zielen des Textilbündnisses führte schließlich zu einer engen Kooperation mit der bis dahin zurückhaltenden breiten Wirtschaft.
Auf Basis einer engen Zusammenarbeit wurde der bestehende Aktionsplan konkretisiert, ohne die ambitionierten Ansprüche des Textilbündnisses zu senken. Ein neuer Bündnisgeist entstand. Die Mitglieder, von den Unternehmen bis zur Zivilgesellschaft, sind sich ihrer Eigenverantwortung bewusst und werden dementsprechend zur Umsetzung der Bündnis-Standards beitragen. Sie verpflichten sich auf den gemeinsamen und kontinuierlichen Prozess der Zielverfolgung mit dem Zweck der Zielerreichung. Zudem einigten sie sich auf ein glaubwürdiges Kontrollsystem (Review-Prozess) zur Überprüfung des Fortschritts aller Bündnismitglieder. Nicht alle Mitglieder des Textilbündnisses befinden sich auf der gleichen Stufe in der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards. Es wurde daher eine Art Mittelstandsklausel eingefügt, die anerkennt, dass nicht alle Bündnispartner die Bündnis-Standards auf dem gleichen Niveau zum gleichen Zeitpunkt umsetzen können. Dadurch ist der Aktionsplan flexibler und schafft Zugangsvoraussetzungen auch für kleinere und mittlere Unternehmen.
Daraufhin empfahlen die Spitzenverbände der Textilwirtschaft im April 2015 ihren Mitgliedsunternehmen den Beitritt zum Textilbündnis. Mit dem anschließenden Beitritt des Handelsverbands Deutschland (HDE), der Außenhandelsvereinigung des deutschen Einzelhandels (AVE) sowie des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie (textil+mode) und namhaften Unternehmen wie H&M, C&A, Tchibo, PUMA, Adidas, Lidl, Aldi u.a. ist dem Textilbündnis der Durchbruch gelungen. Die Bündelung der Marktmacht und somit die Einbindung von Unternehmen des Massenmarktes waren von Anfang an Ziele, um breitenwirksam Nachhaltigkeit in der textilen Lieferkette zu befördern.
„Mit der Beitrittserklärung zum Textilbündnis haben sich die Mitglieder auf die Verfolgung der im Aktionsplan formulierten Ziele verpflichtet.“
Worten müssen Taten folgen
Mit mittlerweile mehr als 120 Mitgliedern ist die zentrale Voraussetzung geschaffen worden, um das Textilbündnis auch international zu positionieren und die konkrete Planung und Umsetzung von gemeinsamen Maßnahmen voranzutreiben. Aber die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt. Denn an der Umsetzung seiner Ziele wird das Textilbündnis gemessen werden. Mit der Beitrittserklärung zum Textilbündnis haben sich die Mitglieder auf die Verfolgung der im Aktionsplan formulierten Ziele verpflichtet. Der Fokus liegt zunächst auf den drängendsten Herausforderungen der Branche wie einer verbesserten Transparenz der Lieferkette, dem sachgemäßen Gebrauch von Chemikalien und existenzsichernden Löhnen sowie der Vereinigungsfreiheit.
Die mit dem Aktionsplan verbundenen, konkreten Umsetzungsschritte und Zeitrahmen werden zurzeit erarbeitet. Zukünftig wird entscheidend sein, wie die einzelnen Mitglieder des Bündnisses die Maßnahmen transparent berichten und Fortschritte glaubwürdig nachweisen. Ein regelmäßiger Kontrollprozess durch einen unabhängigen Dritten soll den Fortschritt überprüfen. Die Ergebnisse werden anschließend in einem Fortschrittberichts dokumentiert. Ferner haben sich die Mitglieder des Textilbündnisses ebenso darauf verständigt, dass das Kontrollsystem Sanktionen vorsieht, wenn Mitglieder die Ziele des Textilbündnisses nicht verfolgen. Damit soll verhindert werden, dass Trittbrettfahrer das Bündnis als Schutzraum missbrauchen.
Internationaler Zusammenschluss
Bei den Herausforderungen in globalen Lieferketten muss darauf hingewiesen werden, dass kein Land Nachhaltigkeitsstandards allein durchsetzen kann. Aus diesem Grund war das Textilbündnis von Anfang an international ausgerichtet. Der Aktionsplan sieht den Anschluss an europäische und internationale Initiativen und Institutionen vor. So sollen über nationale Grenzen hinweg gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen der Textilwirtschaft geschaffen werden.
„Die Staats- und Regierungschefs haben in Elmau gemeinsam vereinbart, dass Multi-Stakeholder-Initiativen wie das Textilbündnis auch in anderen G7-Ländern gefördert werden sollen.“
Für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist die Einhaltung von sozialen und ökologischen Nachhaltigkeitsstandards in globalen Lieferketten auch eines der zentralen Anliegen der deutschen G7-Präsidentschaft im Entwicklungsjahr 2015 und hat die Unterstützung der anderen G7-Länder auf dem Gipfel in Elmau erfahren. Hier wurden konkrete Umsetzungsschritte für Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards in globalen Lieferketten beschlossen. Menschenwürdige Arbeit und nachhaltige Produktionsbedingungen sollen weltweit zum Status Quo werden.
Die Staats- und Regierungschefs haben in Elmau gemeinsam vereinbart, dass Multi-Stakeholder-Initiativen wie das Textilbündnis auch in anderen G7-Ländern gefördert werden sollen. Diese Multi-Stakeholder-Initiativen sollen sich nicht auf den textilen Sektor beschränken. Des Weiteren hat man die Unterstützung der Produktionsländer beschlossen. Die G7-Staaten werden koordiniert die Herstellerländer darin unterstützen, Sozial- und Umweltstandards in der Produktion einzuhalten. Dadurch können die produzierenden Entwicklungsländer auch eine bessere Einbindung in globale Wertschöpfungsketten erreichen. Die Vereinbarungen des G7-Gipfels werden langfristig die Bemühungen des BMZ stützen und in anderen Ländern neue Initiativen bezüglich Nachhaltigkeitsstandards befördern.
Damit Sie wissen, wer sich seiner Verantwortung stellt, finden Sie nachfolgend eine Liste mit den Mitgliedern des Bündnisses für nachhaltige Textilien.