Ministerialdirigent Dr. Bernhard Felmberg auf der Ethical Fashion Show in Berlin, am 20. Januar 2016
Sehr geehrte Damen und Herren,
Es ist mir eine besondere Freude heute hier zu sein und über die Fortschritte im Textilbündnis zu berichten.
Im Rahmen des „Runden Tischs Textil“, am 30. April 2014, der vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) initiiert wurde, einigten sich Vertreter und Vertreterinnen von deutschen Bekleidungsunternehmen, Branchenverbänden, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NRO) darauf, die Gründung eines „Bündnisses für nachhaltige Textilien“ anzustoßen.
„Mit über 170 Partnern aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft feierte das Textilbündnis 2015 den ersten Jahrestag.“
Bei der Gründung am 16. Oktober 2014 umfasste das Textilbündnis 30 Mitglieder, überwiegend Vorreiterunternehmen, engagierte Nichtregierungsor-ganisationen, Gewerkschaften, Standardorganisationen und die Bundesregierung. Die Anzahl der Mitglieder ist seitdem stark angewachsen.
Mit über 170 Partnern aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft feierte das Textilbündnis 2015 den ersten Jahrestag.
Welche Ziele verfolgt das Bündnis für nachhaltige Textilien?
Im Zuge der Globalisierung haben Unternehmen aus Deutschland und anderen Industrienationen ihre gesamte Produktion oder einzelne Produktionsstufen oftmals in Entwicklungs- und Schwellenländer verlagert. Die Unternehmen können sich so auf die eigenen Kernkompetenzen wie Design oder Vermarktung konzentrieren und kostengünstiger sowie flexibler produzieren. Dadurch sind globale und sehr komplexe Lieferantennetzwerke entstanden.
Vor allem für arbeitsintensive Industrien wie der Textilbranche bestehen die Standortvorteile der Entwicklungs- und Schwellenländer im Zugang zu günstigen Rohstoffen, Materialien und Arbeitskräften. Die Anerkennung von Menschenrechten sowie die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards sind in den Produktionsländern häufig wenig ausgeprägt. Die kurzen Produktlebenszyklen, die stark schwankende Nachfrage und die hohe Anzahl von Mitbewerbern führen zu einem ausgeprägten Preis- und Wettbewerbsdruck in dieser Branche. Diese Wettbewerbssituation hält soziale und ökologische Standards in den Produktionsländern langfristig auf einem niedrigen Niveau.
„Lange Arbeitszeiten, unzureichende Entlohnung, Kinderarbeit und Diskriminierung am Arbeitsplatz sowie unzureichende Sicherheitsstandards bei dem Umgang mit gefährlichen Chemikalien sind Herausforderungen in den Produktionsländern.“
Die Brände in den Textilfabriken Ali Enterprises und Tazreen Fashions im Jahr 2012 sowie der Einsturz von Rana Plaza in Bangladesch im Jahr 2013 haben das Thema sozialer und ökologischer Missstände in der weltweiten Textilproduktion auf tragische Weise in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Nicht nur die Gebäudesicherheit der Fabriken ist nicht gewährleistet, auch die ILO-Kernarbeitsnormen werden vielerorts missachtet. Lange Arbeitszeiten, unzureichende Entlohnung, Kinderarbeit und Diskriminierung am Arbeitsplatz sowie unzureichende Sicherheitsstandards bei dem Umgang mit gefährlichen Chemikalien sind Herausforderungen in den Produktionsländern. Hinzu kommen die Umweltbelastungen durch ungeklärte Abwasser und nicht sachgemäß entsorgten Abfall.
Das Textilbündnis setzt genau an diesen Herausforderungen an und verfolgt das ambitionierte Ziel, flächendeckende Verbesserung der ökologischen und sozialen Standards in den Produktionsländern zu erreichen.
International anerkannte Leitlinien und Standards, wie die UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die ILO-Kernarbeitsnormen sollen flächendeckend umgesetzt werden. Das Textilbündnis verfolgt hierbei einen ganzheitlichen Ansatz und betrachtet die gesamte textile Lieferkette – von der Rohstoffproduktion bis zur Entsorgung der Textilien. Eine grundlegende Veränderung in der Branche kann jedoch nicht von einzelnen Akteuren allein bewältigt werden – es müssen sich alle Akteursgruppen der Branche zusammenschließen und entsprechende Maßnahmen umsetzen.
„Zurzeit vereint das Textilbündnis 50% des deutschen Einzelhandelsmarktes. Dieser Anteil soll in den nächsten Jahren auf 75% gesteigert werden.“
Wie werden die Ziele umgesetzt?
Im Textilbündnis werden die Ressourcen und Kompetenzen der Mitglieder gebündelt, um eine kritische Marktmacht zu erreichen und um Veränderungen in den Produktionsländern gemeinsam umsetzen zu können.
Zurzeit vereint das Textilbündnis 50% des deutschen Einzelhandelsmarktes. Dieser Anteil soll in den nächsten Jahren auf 75% gesteigert werden.
Das erste Jahr diente vor allem der Formierung des Textilbündnisses, der Weiterentwicklung des Aktionsplanes sowie der Bildung und Besetzung der Gremien. Dieser Konstitutionsphase wird sich nun die Umsetzungsphase zur Realisierung der Bündnisziele anschließen.
Im August 2015 wurde ein entscheidungsstarker Steuerungskreis aus den Vertreterinnen und Vertretern aller Anspruchsgruppen im Textilbündnis gewählt. Dadurch ist es gelungen, alle Akteure zusammenzubringen und einen neuen Bündnisgeist zu formen.
Der Ausgangspunkt und Handlungsrahmen für die Arbeit des Textilbündnisses ist der gemeinsam erarbeitete Aktionsplan. Die Annexe enthalten die sozialen, ökologischen und ökonomischen Ziele und Umsetzungsanforderungen für die einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette; diese werden aktuell in mehreren thematischen den Arbeitsgruppen überarbeitet und angepasst. Mit dem Beitritt zum Bündnis für nachhaltige Textilien haben sich die Mitglieder darauf verpflichtet, diese Bündnisziele kontinuierlich zu verfolgen.
Die Mitglieder des Textilbündnisses erarbeiten in Arbeitsgruppen konkrete Umsetzungsschritte für die Verbesserung der Produktionsbedingungen. Eine lückenlose und flächendeckende Überwachung sämtlicher Produktionsprozesse stellt derzeit noch eine große Herausforderung dar. Aus diesem Grund wählt das Textilbündnis prioritäre Handlungsfelder aus und wird diese im Zeitablauf immer weiter ausdehnen.
Aktuell sind Arbeitsgruppen zu den Themen „Prozesschemikalien“, „Sozialstandards und existenzsichernde Löhne“, „Review-Prozess“ und „Kommunikation“ mandatiert, personell besetzt und haben die Arbeit aufgenommen.
„Das BMZ unterstützt die Mitglieder vor Ort bei der Umsetzung der konkreten Maßnahmen.“
Arbeitsgruppen zu den Bereichen „Umsetzung vor Ort und Internationalisierung“ und sowie „Naturfasern“ beginnen Anfang 2016 zu arbeiten.
Für die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen werden individuell für jedes Mitgliedsunternehmen und jede Mitgliedsorganisation konkrete Umsetzungsanforderungen und Zeitziele definiert.
Dabei werden die organisationsspezifischen Möglichkeiten und bereits bestehendes Engagement berücksichtigt. Dadurch wird der Prozess der schrittweisen und kontinuierlichen Verfolgung der Bündnisziele sichergestellt.
Je nach Bündnispartner kann der Beitrag zur Erreichung der Bündnisziele in der nachhaltigen Gestaltung der Lieferketten durch die Textilwirtschaft, im entwicklungspolitischen Dialog auf Regierungsebene, in der internationalen Gewerkschaftsarbeit oder durch gezielte Informationsarbeit und Kooperationen von Nichtregierungsorganisationen liegen.
Das BMZ unterstützt die Mitglieder vor Ort bei der Umsetzung der konkreten Maßnahmen. In der Vergangenheit vor der Gründung des Bündnisses für nachhaltige Textilien hat das BMZ bereits rund 70 Einzelvorhaben im Textilsektor gefördert. Im Jahr 2015 wurden mehr als 20 neue Entwicklungspartnerschaften (EWP) in Indien, China, Bangladesch, Myanmar, aber auch Afrika und Osteuropa auf den Weg gebracht.
Worin besteht der Mehrwert für die Bündnispartner?
Das Textilbündnis ist eine Plattform, auf der die beteiligten Akteure gemeinsam Projekte entwickeln können, den Fortschritt bei der Umsetzung der Bündnisziele gemeinsam überprüfen, sich über Best Practices austauschen und voneinander lernen können.
Nachfolgende Aspekte bilden einen Mehrwert für die Mitglieder:
Erstens, das Textilbündnis baut auf existierenden Initiativen auf und erkennt das unternehmensinterne Engagement an. Ferner wird durch den Beitritt zum Bündnis die Kooperation mit bestehenden Initiativen auf nationaler und internationaler Ebene ausgebaut.
Zweitens bietet das Textilbündnis eine Plattform, um Lernerfahrungen mit anderen Akteuren zu teilen und so eine breitere Wissensbasis zu genieren. Innovative Maßnahmen und Lösungsansätze können gemeinsam entwickelt, diskutiert und unternehmensspezifisch angepasst werden, um so optimale Ergebnisse bezüglich Nachhaltigkeitsstandards in der Produktion zu erlangen.
Drittens, die Durchführung von gemeinsamen Maßnahmen vor Ort unterstützt den Aufbau von nachhaltigen Produktionskapazitäten in den relevanten Ländern der Textilindustrie. Durch die Zusammenarbeit der Bündnispartner kann ein höherer Wirkungsgrad erzielt werden, der sich langfristig positiv auf das Angebot von nachhaltigen Produktionskapazitäten auswirkt, auf welche die Textilindustrie zurückgreifen kann.
Viertens ist durch einen Zusammenschluss verschiedener Akteure der Textilindustrie ein verbesserter Einfluss auf die kohärente Gestaltung politischer Rahmenbedingungen in Produktionsländern, der EU und auf globaler Ebene möglich.
Als fünfter Mehrwert für die Mitglieder des Bündnisses ist die transparente Kommunikation in Richtung der Konsumentinnen und Konsumenten zu nennen. Diese werden einerseits über das Textilbündnis aufgeklärt, andererseits erfolgt ein Vergleich bzw. eine Abgrenzung zu anderen Initiativen, bezüglich der inhaltlichen Ausrichtung und Reichweite. Des Weiteren kann der eigene Fortschritt abgebildet und transparent kommuniziert werden.
„Des Weiteren finanziert das BMZ bis 2018 die Arbeit des Bündnissekretariats, welches eine unterstützende und koordinierende Funktion für die Arbeit des Textilbündnisses hat.“
Worin besteht der Beitrag der Bundesregierung?
Vertreten durch das BMZ und andere Ministerien ist auch die Bundesregierung Partner im Textilbündnis. Sie setzt sich auf vielfältige Weise für den Erfolg des Bündnisses für nachhaltige Textilien ein. In Europa und weltweit kooperiert die Bundesregierung mit ihren Partnern (EU, G7, OECD, Regierungen der Partnerländer und internationale Organisationen), um das Textilbündnis und seine Ziele global zu verankern und gleiche Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer zu schaffen.
Im entwicklungspolitischen Dialog mit wichtigen Produktionsländern bringt die Bundesregierung das Thema Nachhaltigkeit in der Textilindustrie verstärkt zur Sprache. Zudem führt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit bilaterale und regionale Vorhaben im Textilsektor durch, beispielsweise um Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards zu fördern.
Im Rahmen von Kooperation zwischen deutscher Entwicklungszusammenarbeit und privaten Unternehmen sollen die Produktionsunternehmen in Entwicklungsländern unterstützt werden, die Ziele des Textilbündnisses umzusetzen. Das BMZ arbeitet über das Public Privat Partnership Programm (develoPPP.de) schon seit mehreren Jahren mit Mitgliedern des Bündnisses zusammen.
Das BMZ arbeitet auch mit der Zivilgesellschaft in vielgestaltigen Projekten eng zusammen. Diese Erfahrungen fließen nun in die Umsetzungsstrategie und konkrete Maßnahmen ein.
Des Weiteren finanziert das BMZ bis 2018 die Arbeit des Bündnissekretariats, welches eine unterstützende und koordinierende Funktion für die Arbeit des Textilbündnisses hat.
Nun startet die Umsetzungsphase. Es gilt mit konkreten Vorhaben aufzuzeigen, dass nachweisbare Verbesserungen in den Entwicklungsländern auf Basis von Selbstverpflichtung möglich sind. Die Erfahrungen aus dem textilen Bereich sollen perspektivisch auf andere Sektoren übertragen werden.
Ministerialdirigent Dr. Bernhard Felmberg
Den Link zur Veranstaltung finden Sie hier.
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