Diversifizierung des Tourismus in Albanien – Beispiele aus der Entwicklungszusammenarbeit vor dem Hintergrund aktueller Migrationsbewegungen 2016

Grußwort von Ministerialdirigent Dr. Bernhard Felmberg, Paneldiskussion Internationale Tourismusbörse (ITB) 2016, 09. März 2016, Berlin

Diversifizierung des Tourismus in Albanien – Beispiele aus der Entwicklungszusammenarbeit vor dem Hintergrund aktueller Migrationsbewegungen

Sehr geehrte Frau Ministerin Ekonomi,
sehr geehrter Herr Sommer,
sehr geehrter Herr Cassens,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr, Sie alle im Namen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bei der heutigen Paneldiskussion begrüßen zu dürfen.
Ganz besonders herzlich möchte ich Sie begrüßen, sehr verehrte Frau Ekonomi,  und Sie herzlich zu Ihrem neuen Amt als Ministerin für Wirtschaftliche Entwicklung, Tourismus, Handel und Unternehmertum beglückwünschen, das Sie seit zwei Wochen inne haben. Umso mehr freut es uns, dass Sie eine Ihrer ersten Reisen hier nach Deutschland führt, zur ITB nach Berlin!

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ITB 2016, Berlin © Bernhard Felmberg

In der heutigen Veranstaltung möchten wir uns mit dem Thema „Diversifizierung des Tourismus in Albanien“ beschäftigen. Was meinen wir eigentlich damit?

„Aktives Reisen, sportliche Betätigung und das Kennenlernen neuer Kulturen steht für viele heutzutage im Vordergrund.“

Ein klassischer Strandurlaub wird von vielen  Reisenden nicht mehr gewünscht. Gerade die reiseerfahrenen  Touristen sind auf der Suche nach neuen Angeboten, neuen Zielen und neuen Erfahrungen.  Aktives Reisen, sportliche Betätigung und das Kennenlernen neuer Kulturen steht für viele heutzutage im Vordergrund.
Dies bedeutet für viele Länder, weitere Attraktionen touristisch zu erschließen um konkurrenzfähig zu bleiben.

Vor allem Destinationen, welche touristisch noch nicht so erschlossen und bekannt sind, stehen vor neuen Herausforderungen und müssen Antworten auf viele Fragen finden, beispielsweise:

  • Wie können wir uns auf dem Markt etablieren und dort auch langfristig bestehen?
  • Wie müssen wir unseren Tourismus gestalten, dass dieser wachsen kann, die lokale Bevölkerung davon profitiert und wir aber gleichzeitig unsere Grundlage des Tourismus, eine intakte Natur und Kultur nicht zerstören?

Genau dies wollen wir heute am Beispiel Albaniens diskutieren. Wir wollen herausfinden, wie das Land gemeinsam mit der deutschen EZ  und auch mit der deutschen Privatwirtschaft zusammenarbeitet, um die eben genannten Herausforderungen zu meistern.
Wir als Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) arbeiten seit 1988 mit Albanien zusammen. Mittlerweile hat Albanien sich vom ärmsten Land Europas zum Beitrittskandidaten der Europäischen Union  entwickelt. Darüber freuen wir uns sehr. Und wir wollen Albanien auch weiterhin auf diesem Weg in die EU unterstützen.

ITB 2016, Berlin © Bernhard Felmberg

ITB 2016, Berlin
© Bernhard Felmberg

Wir arbeiten mit der albanischen Regierung in drei Schwerpunkten zusammen:

  1. Wir wollen das Land dabei unterstützen, eine wettbewerbsfähige Marktwirtschaft und eine arbeitsmarktorientierte Berufsbildung zu schaffen.
  2. Wir wollen das Land dabei unterstützen, die Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten auf dem Lande zu verbessern und
  3. Wir wollen das Land dabei unterstützen, die Versorgung mit sauberem Trinkwasser sowie die Abwasserentsorgung effektiver und effizienter zu gestalten.

Auch wenn sich das im ersten Moment nicht so anhört, Tourismus kann zu allen diesen Zielen einen Beitrag leisten! Tourismus schafft Arbeitsplätze und zwar in einem weit höheren Maße als viele andere Wirtschaftszweige. Nach Angaben des World Travel & Tourism Council sind  weltweit ca. 277 Mio. Menschen und damit 9,5 Prozent aller Arbeitnehmer in der Touristik beschäftigt; bis 2019 werden bis zu 296 Millionen Jobs prognostiziert.

„Kommen Reisende ins Land wird die lokale Wirtschaft angekurbelt und es entstehen dadurch Arbeitsmöglichkeiten in vielen anderen Sektoren, beispielsweise im Handwerk, der Landwirtschaft oder der Dienstleistungsbranche.“

Wer arbeitet, verdient Geld und kann so seinen Weg aus der Armut finden. Gerade Arbeitssuchende vom Lande oder Frauen können im Tourismus eine Beschäftigung finden. Und nicht nur im Tourismus. Kommen Reisende ins Land wird die lokale Wirtschaft angekurbelt und es entstehen dadurch Arbeitsmöglichkeiten in vielen anderen Sektoren, beispielsweise im Handwerk, der Landwirtschaft oder der Dienstleistungsbranche.

Wenn der Tourismus nachhaltig gestaltet wird, kann er neben den wirtschaftlichen Perspektiven auch:

  • zum Schutz der Biodiversität beitragen,
  • lokale Kulturen fördern
  • und die Entwicklung ländlicher Gebiete unterstützen.

Gerade abgelegene ländlich geprägte Gegenden zeichnen sich durch eine sehr attraktive und oftmals einzigartige Landschaft aus. Vor allem für naturnahen und aktiven Tourismus bieten sie somit eine ideale Voraussetzung.
Genau auf solche Gebiete zielt unser Engagement in Albanien ab: Wir wollen sie nachhaltig touristisch in Wert setzen, um den Menschen auf dem Land zu Arbeitsmöglichkeiten und zu mehr Einkommen verhelfen.
Zum einen durch direkte Tourismusförderung und zum anderen durch die Förderung der touristischen Wertschöpfungskette, vor allem im Agrarsektor.

  • An der Südküste Albaniens fördern wir die touristische Inwertsetzung des Küstenhinterlandes. Ziel hierbei ist es, die ländliche Bevölkerung an den Tourismus der Küste anzubinden und alternative Angebote und Produkte zu etablieren. Mit den lokalen Gemeinden wurden bestehende touristische Angebote erfasst und Potenzialanalysen erstellt. Neue Produkte wie z.B. Wander- und Fahrradrouten wurden identifiziert und in eine neue Marketingstrategie aufgenommen.
  • In den albanischen Alpen unterstützen wir die lokalen Bauern dabei, durch den Tourismus neue Absatzmärkte für ihre landwirtschaftlichen Produkte zu finden. So wird z.B. lokaler Honig und Käse in den Gästehäusern serviert und auch direkt den Gästen zum Kauf angeboten.

Ein weiteres sehr gutes Beispiel, welches auch auf dem heutigen Panel diskutiert werden wird, ist der von uns geförderte grenzüberschreitende Wanderweg „Peaks of the Balkans“ im Dreiländereck Albanien, Kosovo und Montenegro.
Bereits 2006 haben wir im albanischen Bergdorf Thethi die Tourismusförderung unterstützt.  Wanderungen durch die albanischen Alpen wurden angeboten und vermarktet sowie Gästehäuser unterstützt.
Innerhalb von vier Jahren kamen über 25 mal so viele Touristen wie vorher und die Anzahl der Gästebetten verzehnfachte sich.

ITB 2016, Berlin © Bernhard Felmberg

ITB 2016, Berlin
© Bernhard Felmberg

Die lokalen Behörden und andere Organisationen wurden durch diesen Erfolg aufmerksam und beteiligten sich ab 2010 gemeinsam mit der deutschen EZ an weiteren kleineren Projekten im Tourismus und der Erweiterung des Wanderweges in die Länder Kosovo und Montenegro.

2012 war der Wanderweg auf einer Länge von 192 Kilometern beschildert. Zusätzlich wurde  zwischen den drei Ländern ein Abkommen geschlossen, welches den Wandertouristen einen vereinfachten Grenzübergang  in der Bergregion gewährleistet um somit die komplette Bergregion bewandern zu können.

„„Peaks of the Balkans ist mittlerweile zu einer grenzüberschreitenden touristischen Destination geworden und wurde 2013 mit dem prestigeträchtigsten Nachhaltigkeitspreis im Tourismus prämiert: dem „Tourism for Tomorrow Award“ des World Travel & Tourism Council (WTTC).“  

Heute gibt es Wanderkarten für Touristen, Informationen über die einzelnen Routen und Unterkünfte werden über eine eigene Internetplattform und die Fremdenverkehrsämter in Albanien, Kosovo und Montenegro bereitgestellt.
„Peaks of the Balkans ist mittlerweile zu einer grenzüberschreitenden touristischen Destination geworden und wurde 2013 mit dem prestigeträchtigsten Nachhaltigkeitspreis im Tourismus prämiert: dem „Tourism for Tomorrow Award“ des World Travel & Tourism Council (WTTC).
Im Tourismus kommt es jedoch nicht nur auf ein schönes Produkt an, wie zum Beispiel einen Wanderweg. Servicequalität, das Bereitstellen von guten Informationen und zusätzlichen Angeboten sowie gastronomische Erlebnisse sind die Dinge, die bei den Gästen im Kopf verbleiben.

Aus diesem Grund bin ich sehr froh, dass wir es geschafft haben, gemeinsam mit dem DAV[1] Summit Club  die Qualität der Angebote am grenzüberschreitenden Wanderweg  zu verbessern und um neue Angebote zu erweitern.
Dazu wird Ihnen Herr Hagen Sommer, vom DAV Summit Club, sicher gleich noch ausführlicher berichten.

Sehr geehrte Damen und Herren,
im ITB Kongress und auf vielen Veranstaltungen hier auf der Messe hat ein Thema in diesem Jahr eine traurige Prominenz erfahren:  Flüchtlinge, Fluchtursachen und Migration

Wir im BMZ fragen uns – wie vermutlich viele von Ihnen auch – ob und wie Tourismus dazu beitragen kann, Landflucht und Migration einzudämmen.

In einer kürzlich durchgeführten Befragung in den albanischen Alpen gaben 7 Prozent der Befragten an, mit dem Gedanken zu spielen die Region zu verlassen, davon fast alle (90%) aus wirtschaftlichen Gründen. Wir versuchen mit Projekten, wie dem „Peaks of the Balkans“, dieser Herausforderung zu begegnen, für die Menschen vor Ort die ökonomische Situation zu verbessern und ihnen langfristig Perspektiven zu eröffnen.
Förderung des Tourismus kann hierzu einen großen Beitrag leisten! Dabei ist der Schulterschluss der touristischen Privatwirtschaft mit der Entwicklungs-zusammenarbeit ein wichtiges Element.
Lassen sie uns diese Herausforderungen gemeinsam angehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Panellisten,
ich wünsche Ihnen und uns allen eine interessante Diskussion zu diesem spannenden Thema.

[1] Deutscher Alpenverein

Hier geht es zur Veranstaltung auf der ITB