Ministerialdirigent Bernhard Felmberg
„Kann die Zukunft der Welt über einen Vertrag geregelt werden?“ im Rahmen des Deutschen Stiftungtags, am 12. Mai 2016 in Leipzig
Wir sind Eine Welt. Das führen uns die größten Flüchtlingsströme seit dem Zweiten Weltkrieg eindringlich vor Augen. Hunderttausende suchen derzeit in Europa Schutz vor Gewalt, Krieg und Elend. Sie suchen Perspektiven für sich und ihre Kinder.
Was viele nicht wissen: Weltweit sind 60 Millionen Menschen – innerhalb oder außerhalb ihrer Heimat – auf der Flucht. Und nur ein Bruchteil kommt – bisher – zu uns. 90% der Menschen finden Aufnahme in Nachbarländern, viele davon selbst Entwicklungsländer. Es ist eine humanitäre Verpflichtung und in unserem ureigenen Interesse, diesen Menschen vor Ort zu helfen, so wie es das BMZ schon seit langem tut.
Der Klimawandel wird weitere Flüchtlingsbewegungen in Gang setzen. Schon jetzt verlassen deshalb jedes Jahr 20 Millionen Menschen ihr Zuhause. Immer öfter werden Dürren und Hungersnöte wie Brandbeschleuniger für Konflikte wirken.
„Ob unsere Kinder und Enkel in einer friedlicheren Welt leben oder noch weitaus dramatischere Flüchtlingskrisen erleben werden als heute, wird davon abhängen, wie sich andere Länder entwickeln können.“
Der Weltzukunftsvertrag geht uns alle an!
Ob unsere Kinder und Enkel in einer friedlicheren Welt leben oder noch weitaus dramatischere Flüchtlingskrisen erleben werden als heute, wird davon abhängen, wie sich andere Länder entwickeln können. Und wie gut es uns in den so genannten entwickelten Ländern gelingt, unser eigenes Entwicklungsmodell nachhaltig zu machen.
Im vergangenen Jahr hat sich die Weltgemeinschaft auf 17 gemeinsame Ziele für nachhaltige Entwicklung verständigt, die bis 2030 erreicht werden sollen. Alle 193 Staaten haben der so genannten „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ zugestimmt. Minister Müller spricht gerne auch kürzer und pointierter vom „Weltzukunftsvertrag“. Die Agenda 2030 löst die Ihnen sicherlich bekannten Millenniumentwicklungsziele ab und geht weit über diese hinaus.
Zu den Zielen gehören die Beendigung der Armut in allen Formen und überall, die Überwindung von Hunger, ein gesundes Leben für Menschen jeden Alters, inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung, die Gleichstellung der Geschlechter, die Verfügbarkeit von Wasser und Sanitärversorgung und viele mehr. Zu den Zielen gehören auch die Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern, weltweit nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen und Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen zu ergreifen.Sie sehen: Der Weltzukunftsvertrag geht uns alle an!
Nicht nur die so genannten „Entwicklungsländer“ werden sich verändern müssen. Sondern auch wir, die „Industrieländer“, werden zu Entwicklungsländern. Denn der bisherige fossile Entwicklungspfad taugt nicht für weitere sieben, acht oder neun Milliarden Menschen (siehe Klimawandel!).
Wir müssen zusammen denken, was nur zusammen erreicht werden kann: Armuts- und Hungerbekämpfung, Umwelt- und Klimaschutz, Gleichberechtigung, Rechtsstaatlichkeit und all die anderen Ziele.
DEU und das BMZ handeln
Die Frist läuft seit 01.01.2016 – jeder Tag zählt bis 31.12.2030-! Wir haben schon im vergangenen Jahr schon wichtige Weichen gestellt: etwa mit dem G7-Gipfel in Elmau und den Beschlüssen zur Hungerbekämpfung, zur Dekarbonisierung, zur Verantwortung für weltweite Lieferketten und mit dem historischen Haushaltsaufwuchs und der Neuausrichtung der Arbeit des BMZ.
Deutschland wird die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung auf drei Ebenen umsetzen: erstens in Deutschland selbst, mit unserer Innenpolitik. Zweitens in den Partnerländern, mit unserer Unterstützung. Und drittens in der internationalen Gemeinschaft, bei der Gestaltung globaler Regeln.
Die spannendste Aufgabe wird es dabei sein, Kohärenz herzustellen zwischen unserem Handeln nach innen und dem Handeln nach außen. Der „Weltzukunftsvertrag“ formuliert einen hohen Anspruch an die gesamte Bundesregierung. Das Bundeskanzleramt hat kürzlich bestätigt: die Agenda 2030 wird für die deutsche Politik richtungsweisend sein. Alle Ministerien werden ihren Beitrag leisten.
Wir sind im internationalen Vergleich schon ziemlich weit. Wir haben bereits einen grundsätzlichen Rahmen, in dem wir die Agenda umsetzen werden: die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Das BMZ beteiligt sich intensiv daran, sie im Laufe dieses Jahres weiter zu entwickeln und auf die Agenda 2030 auszurichten. Konkret werden wir uns dafür einsetzen, dass „mehr Welt“ einfließt – also Indikatoren, mit denen wir die Folgen unseres Tuns auf die Entwicklungschancen von Menschen in anderen Ländern abschätzen können – gerade die Ärmsten müssen wir vor Augen haben.
Dabei binden wir Bürgerinnen und Bürger eng mit ein. Gute Erfahrungen dazu haben wir mit der Zukunftscharta gewonnen.
Im BMZ überprüfen wir zurzeit systematisch alle Ansätze, Strategien und Instrumente daraufhin, ob die Folgen unserer Politik mit den Zielen der Agenda 2030 übereinstimmen. Sollte die Aufstellung nicht stimmen, passen wir an. Das werden auch die anderen Ministerien tun müssen.
Deutsche Entwicklungspolitik unterstützt außerdem Entwicklungsländer dabei, ihre nationalen Politiken auf die Agenda 2030 ausrichten. Die meisten Länder werden erhebliche eigene Mittel einsetzen müssen, um die Ziele zu erreichen. Wir unterstützen unsere Partnerländer darum unter anderem beim Aufbau von Steuersystemen. Mit der Addis Tax Initiative haben wir uns verpflichtet, unser Engagement in diesem Bereich bis 2020 zu verdoppeln. Das lohnt sich! Denn 1$ investiert in Steuersysteme bringt 100$ an Steuereinnahmen, schätzt die OECD.
Darüber hinaus steht Deutschland weiterhin zu dem Ziel, 0,7% des Bruttonationaleinkommens für die „klassische“ ODA einzusetzen. Das hat die Bundeskanzlerin beim Gipfel in New York im September 2015 unterstrichen. Der Haushaltsaufwuchs des BMZ zeigt dies.
Zur Umsetzung brauchen wir auch Sie!
Die 17 Nachhaltigkeitsziele werden aber die Staats- und Regierungschefs der Welt nicht alleine umsetzen können. Auch hier ist der Weltzukunftsvertrag klar und deutlich. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass es „globaler Partnerschaften“ bedarf und der Mitwirkung aller. An verschiedenen Stellen werden auch Sie ganz direkt angesprochen! Ich zitiere: „Wir sind uns der Rolle bewusst, die der breit gefächerte Privatsektor […] sowie die Organisationen der Zivilgesellschaft und philanthropische Organisationen in der Umsetzung der neuen Agenda spielen werden.“ [Para 41 der Abschlussresolution der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.]
Warum brauchen wir Sie? Was haben Sie, was wir als Bundesregierung oder BMZ nicht haben?
- Sie verfügen über viele individuelle Stärken. Hierzu zähle ich Wissen und Erfahrung, persönlicher wie beruflicher – oft unternehmerischer Natur. Sie haben eigene Kontakte und Netzwerke, Sie verfügen oft über beträchtliches Engagement und Vermögen.
- Sie und Ihre Stiftungen stehen oft für beeindruckende Innovationen und neue Wege.
- Sie können oft schneller und flexibler handeln als wir. Wir sind in der Regel auf Zusagen und Kooperationen mit offiziellen Partnern angewiesen. Wir haben oft lange Zusagen- und Planungsrhythmen.
- Sie können wichtige gesellschaftspolitische Zeichen setzen, sowohl hier in Deutschland, als auch in den Partnerländern. Sie erreichen andere Menschen und können Menschen mit Ihrem Engagement und Ihrer Unterstützung ebenfalls motivieren, aktiv zu werden.
Wie können Sie sich engagieren?
Entwicklungspolitik beginnt bei uns. Viele Stiftungen leisten beeindruckende Arbeit um Flüchtlinge und Migranten hier in Deutschland zu unterstützen. Sie können eine Rolle spielen in lokalen Nachhaltigkeitsprozessen und ihre Stimme bei wichtigen politischen Diskussionen erheben.
Sie können sich aber auch in Entwicklungs- und Schwellenländern engagieren. Mit eigenen Ansätzen, gemeinsam mit anderen oder auch durch die Unterstützung erfahrener Dritter.
Wir möchten Ihr Engagement unterstützen und mit Ihnen kooperieren!
Wir möchten Sie bei Ihrem Engagement unterstützen und bieten an, mit Ihnen zu kooperieren! Wir haben dafür in den vergangenen Monaten zunächst hausintern und dann im Dialog mit dem Bundesverband deutscher Stiftungen und auch vielen von Ihnen konkrete Angebote entwickelt, die ich Ihnen abschließend kurz vorstellen möchte.
- Wir haben eine „Servicestelle für Stiftungen und Philanthropen“ ins Leben gerufen. Mit dieser Servicestelle haben Sie eine zentrale Anlaufstelle, über die Sie sowohl das BMZ, als auch unsere erfahrenen Durchführungsorganisationen GIZ, die KfW Entwicklungsbank und Engagement Global erreichen können. Ziel der Servicestelle ist Sie zu beraten, Ihnen unser Wissen und unsere Kontakte zur Verfügung zu stellen und Sie mit anderen Partnern und Organisationen zu vernetzen, die ähnliche Interessen haben wie Sie. – Dabei werden Sie in vielen Fragen an bereits erfahrene Akteure und Profis verweisen – wir müssen das Rad nicht neu erfinden, wollen bewährte Beratungsangebote nicht verdrängen und nur da aktiv werden, wo wir über eigene Erfahrung und Expertise verfügen.
- Wir entwickeln gemeinsam mit der KfW Entwicklungsbank Angebote zur Anlage Ihres Kapitalvermögens, dem sogenannten „Impact oder Mission Investment“. Dabei können Sie Teile Ihres Stiftungskapitals in Fonds anlegen, die wiederum in Entwicklungsländern entwicklungspolitisch sinnvolle und rentable Maßnahmen fördern. Schon heute bietet die KfW institutionellen Investoren die Möglichkeit zur Kapitalanlage als ethisches Investment mit gleichzeitig positiver Verzinsung. Dabei stehen verschiedene Wirkungsfelder zur Wahl wie z.B. Mikrofinanz, Beschäftigungsförderung im Nahen Osten oder Bildungsfinanzierung. Wir haben die KfW beauftragt, diese Investitionsmöglichkeiten noch besser auch auf die Bedürfnisse von Stiftungen auszurichten.
- Wir entwickeln gemeinsam mit Engagement Global ein Angebot, das wir „Stiftungs-Matching“ Hierbei bringen wir Sie entsprechend Ihrer Vorstellungen mit deutschen Nichtregierungsorganisationen in Kontakt, die bereits heute Vorhaben in Entwicklungsländern umsetzen. Diese müssen für eine Förderung aus BMZ-Mitteln in der Regel 25% Eigenbeteiligung aufbringen. Vielleicht können Sie sie unterstützen, Ihre Ideen und finanzielle Unterstützung mit einbringen und so gemeinsam mehr öffentliche Fördergelder hebeln?
- Wir bieten Ihnen auch direkte finanzielle Förderungsmöglichkeiten, sowohl im Rahmen der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit im Inland, als auch bei der Durchführung von Vorhaben in Entwicklungsländern.
- Last but not least, haben wir ein großes Interesse an gemeinsamen Initiativen und Kooperationen. Einzelne Stiftungen können oft nur „an-stiften“ oder haben das Gefühl, alleine nur wenig bewegen zu können. Wir bieten Ihnen an, sich an Initiativen des BMZ wie z.B. dem Textilbündnis zu beteiligen. Derzeit stehen wir im Gespräch mit einer Reihe größerer, schon heute operativ in Entwicklungsländern aktiver Stiftungen und überlegen, wie wir gemeinsam mehr erreichen können. Zukünftig möchten wir auch gemeinsam mit interessierten Stiftungen Modelle entwickeln, an denen sich viele beteiligen können um gemeinsam viel bewegen zu können.
Wir nehmen den Weltzukunftsvertrag und seine Ziele für nachhaltige Entwicklung Ernst. Damit ist jede Politik zu Entwicklungspolitik geworden. Das zeigen die Vorboten der vielen Krisen in der Welt, die in Gestalt der Flüchtlinge zu uns strömen. Das bedeutet für unser Land Veränderung. Wir sind gemeinsam gefordert, den Bürgerinnen und Bürgern diese Veränderung zu erklären. Und uns antreiben zu lassen von den vielen Bürgerinnen und Bürgern, die oft schon so viel weiter sind als wir.
„Agenda 2030“ – das klingt fern. Aber 15 Jahre vergehen wie im Flug – fast ein halbes Jahr ist schon vergangen seit der Geltung des Weltzukunftsvertrages. Und noch immer hungern 800 Millionen Menschen weltweit – Männer, Frauen und Kinder. Das ist unerträglich. Das wollen wir ändern, heute. Dafür brauchen wir Verbündete, überall. Auch Sie!
Wir müssen JETZT handeln. Vielen Dank!